Daniela Seel - Nach Eden Rezension
...Zwischen Walgesängen und Google Maps: Wenn Poesie zur Selbstparodie wird...
Es ist natürlich eine große Ehre, eines der schönsten Lieder, die je in den Niederlanden geschrieben wurden, ins Deutsche übersetzen zu dürfen und von allen vier Textautoren über BUMA die Erlaubnis dafür zu erhalten. Dass gleich vier Texter für diesen genialen Text benötigt wurden, zeigt, dass etwas, das vielleicht einfach erscheint, in Wirklichkeit eine enorme Leistung ist.
Jodeln kann auch lautlos geschehen, ohne dass man vorher eine Mundharmonika verschluckt. Im Grunde jodelt man mit der Seele. Es ist oft ein Zeichen von Schwäche, überhaupt die Stimme mit einzubeziehen.
Ach, mit der Seele jodeln – was für ein Konzept! Man könnte fast vergessen, dass der durchschnittliche Niederländer dies täglich tut, wenn er trotz besseren Wissens bei Regen auf sein Fahrrad steigt.
Ich werde von dieser Farbkombination ein wenig unwohl. Aber das war wohl die Absicht dieser Designer-Eva.
In der Zwischenzeit las ich Daniela Seels Gedichtband Nach Eden, erschienen bei Suhrkamp im Oktober 2024.
Ah, Daniela Seel. Die Dichterin, die Lyrik in eine Art spirituelles IKEA-Handbuch verwandelt, voller Wörter, die so tun, als wären sie tiefgründig, einen am Ende aber mit leeren Händen zurücklassen – zwischen den Einzelteilen einer unverständlichen Metapher.
Nehmen wir zum Beispiel den Anfang: "Aus einer Beunruhigung, einer Bewegung, aus Weite Rau~m." Dieses Rau~m – mit dieser hippen Tilde, als würde sie irgendetwas Besonderes hinzufügen. Was will Seel damit sagen? Dass die Sprache selbst in Panik gerät? Dass der Kosmos plötzlich ein Vintage-Branding verpasst bekommen hat?
Und dann Eva. Ah, Eva. In Seels Händen wird Eva zu einer Art biblischer Influencerin, die ihren Apfel isst, weil sie wusste, dass er viral gehen würde. "Eva wusste, was sie tat, als sie aß." Natürlich wusste sie das, Daniela. Sie hatte Hunger. Doch Seel hebt das auf ein Level, auf dem Eva nicht einfach aus dem Paradies geworfen wird, sondern ihre Koffer packt, weil sie "bereit für Wachstum" ist. Das ist Lyrik, die wie ein TED-Talk über persönliche Verantwortung klingt – nur ohne Applaus am Ende.
Und vergessen wir nicht die pseudowissenschaftlichen Seitenpfade: "Eine Sprungschicht, durchgeistert von Gesängen längst ausgerotteter Wale." Halten wir kurz inne bei diesen ausgestorbenen Walen, die offenbar weiterhin in Seels Fantasie herumsingen. Ist das eine Metapher für den Verlust der Natur? Für den Verlust des Selbst? Oder einfach nur ein Vorwand, um das Wort Sprungschicht zu benutzen? Wie dem auch sei, es ist genau die Art poetischer Unsinn, die perfekt in einen Greenpeace-Prospekt passen würde, mit der Unterzeile: "Denk an die Wale – auch an die ausgestorbenen."
Und das zweite Gedicht: "Mein Kind hat mir mein Sterben geschenkt." Was soll das eigentlich bedeuten? Ist Sterben hier ein spirituelles Geschenk? Oder will Seel andeuten, dass Mutterschaft eine lange Übung im Sterben ist? Wie auch immer, es klingt mehr nach dem Slogan eines makabren Concept-Stores als nach Poesie. Und dann die Frage: "Was möchtet ihr essen, Würstchen oder Fischstäbchen?" Es ist, als streue Seel eine Krume relativer Normalität ein, nur um diese dann mit einer dicken Schicht Anmaßung zu überdecken. Denn ja, selbst ein Würstchen muss in Nach Eden eine existentielle Dimension haben.
Daniela Seel liefert uns Lyrik, die klingt, als wäre sie von einem Algorithmus geschrieben worden, der ein paar zu viele Workshops zum Thema "innere Wunden heilen" besucht hat. Nach Eden ist ein Band, in dem alles überwältigend groß und tiefsinnig sein will, aber letztlich in einer prätentiösen Brühe aus bedeutungsloser Symbolik versinkt. Es ist keine Lyrik, sondern ein Denkmal dafür, was passiert, wenn niemand "Stopp" zu sagen wagt.
„Ich frage mich, ob es eine Komplizenschaft gibt zwischen wissenschaftlicher Sprache und dem Drang, sich ein Gemeintsein vom Leib zu halten.“
Das Gedicht beginnt mit einer Frage, die klingt, als wäre sie in der Kaffeepause einer langweiligen Konferenz entstanden, irgendwo zwischen einem PowerPoint-Vortrag über Gezeitenphysik und einem Workshop: "Wie schreibe ich akademisches Deutsch, das sich wichtig anhört?" Was meint sie hier? Dass Wissenschaft die Welt entmenschlicht? Dass Humboldt ein Komplize kolonialer Verbrechen war? Oder versucht sie einfach, mit einem schwammigen Vorwurf die Leser zu beeindrucken? Es ist eine Zeile, die viel verspricht, aber letztlich nichts tut.
„Wenn ich auf Google Maps durch die Amerikas scrolle…“
Ah, hier haben wir den Gipfel moderner Lyrik-Anmaßung: Die Dichterin inszeniert sich als moralische Reisende via Google Maps. Dieses Bild ist so absurd, dass es fast genial ist. Humboldt kämpfte sich durch unwegsame Dschungel, sammelte Pflanzen und schrieb bahnbrechende Werke über die Ökologie – und was macht Seel? Sie scrollt durch eine App auf ihrem Smartphone und hat die Dreistigkeit, sich damit in dieselbe Linie zu stellen. Es ist, als würde jemand sagen: "Ich fühle eine tiefe Verbindung zum Ozean, weil ich gestern eine Netflix-Doku über Delfine gesehen habe."
Und natürlich, "sein eigener Schädel nur wenige hundert Meter von hier in der Familiengrabstätte unter uralten Stieleichen." Denn was wäre ein Gedicht über Kolonialismus und Wissenschaft ohne dieses makabre geographische Detail? Warum mussten diese Eichen uralt sein? Warum durften es keine jungen, unscheinbaren Bäume sein? Weil Seels Lyrik immer bombastisch sein muss. Die uralten Eichen sind kein poetisches Bild, sondern ein überflüssiger, aufgeblähter Effekt, der ihre Texte so unerträglich macht.
Seel gibt uns keine Poesie, sondern eine prätentiöse Fußnote in Versform, und selbst die liest sich wie eine Karikatur ihrer eigenen Ambitionen.
Martinus Benders, 18-01-2025