Die Frage, ob das Berühren einer Saite als ein Akt künstlicher Intelligenz betrachtet werden kann
...Ein kleines Stück Philosophie an einem Mittwochmorgen...
Die Niederländer glauben allzu schnell, dass ein Schlager ein „Lebenslied“ ist. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Genau genommen ist der Schlager keine Klagelied über persönliches Leid, sondern vielmehr Tanzmusik – allerdings mit oft sehr literarischem Charakter. Das Wort bedeutet wörtlich „Schlagnummer“, und der Beat steht im Mittelpunkt.
Ein himmelweiter Unterschied zum „Lebenslied“, das die Niederländer aus für mich völlig unverständlichen Gründen so sehr lieben. Als ich mit Dieter zusammenarbeitete und er oft Geschichten über seinen Kampf mit seiner eigenen Sinnlichkeit in der Jugend erzählte, wollte ich die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, das Beste der Welt der Textdichter für mich zu erobern. Ein wundervolles Soloalbum mit Schlagern, geschrieben von jemandem, dessen Name an kleine Fässer erinnert.
Die Frage, ob das Berühren einer Saite als ein Akt künstlicher Intelligenz betrachtet werden kann, mag auf den ersten Blick paradox erscheinen. Schließlich wird die Saite durch eine bewusste Handlung eines Menschen in Schwingung versetzt. Doch wenn wir tiefer in die Struktur und die Mechanismen eintauchen, die diesem Vorgang zugrunde liegen, offenbart sich ein faszinierendes Zusammenspiel zwischen Regelhaftigkeit, algorithmischer Logik und menschlicher Intuition. Es zeigt sich, dass das Berühren einer Saite und das Stimmen eines Instruments wesentliche Elemente enthalten, die wir auch im Bereich der künstlichen Intelligenz finden.
Die Saite als vorstrukturiertes System
Eine Saite kann nicht in einem beliebigen Zustand sinnvoll genutzt werden. Sie muss gespannt, gestimmt und auf eine bestimmte Frequenz eingestellt werden, um harmonische Klänge hervorzubringen. Diese Frequenzen folgen mathematisch berechenbaren Mustern, den Gesetzen der Physik und Akustik. Der Kammerton A, beispielsweise, wird traditionell auf 440 Hertz gestimmt – eine Konvention, die ebenso als Algorithmus verstanden werden kann. Jeder Ton, der aus einer gestimmten Saite hervorgeht, ist das Ergebnis eines Prozesses, der auf vordefinierten Mustern basiert.
Hier wird deutlich: Das Stimmen einer Saite ist nicht nur ein intuitiver, sondern auch ein algorithmischer Akt. Der Musiker richtet sich nach festen Regeln, die nicht veränderbar sind, wenn er harmonische Klänge erzeugen will. Diese Regeln können als ein "intelligentes System" verstanden werden, das ihm vorgibt, welche Handlungen sinnvoll sind. So gesehen, wird die Intelligenz nicht erst durch den Musiker hinzugefügt, sondern ist bereits in der Saite selbst angelegt.
Eine Saite kann nicht in einem beliebigen Zustand sinnvoll genutzt werden. Sie muss gespannt, gestimmt und auf eine bestimmte Frequenz eingestellt werden, um harmonische Klänge hervorzubringen. Diese Frequenzen folgen mathematisch berechenbaren Mustern, den Gesetzen der Physik und Akustik. Der Kammerton A, beispielsweise, wird traditionell auf 440 Hertz gestimmt – eine Konvention, die ebenso als Algorithmus verstanden werden kann. Jeder Ton, der aus einer gestimmten Saite hervorgeht, ist das Ergebnis eines Prozesses, der auf vordefinierten Mustern basiert.
Hier wird deutlich: Das Stimmen einer Saite ist nicht nur ein intuitiver, sondern auch ein algorithmischer Akt. Der Musiker richtet sich nach festen Regeln, die nicht veränderbar sind, wenn er harmonische Klänge erzeugen will. Diese Regeln können als ein „intelligentes System“ verstanden werden, das ihm vorgibt, welche Handlungen sinnvoll sind. So gesehen, wird die Intelligenz nicht erst durch den Musiker hinzugefügt, sondern ist bereits in der Saite selbst angelegt.
Die „eingebaute“ Intelligenz der Saite
Betrachtet man die Saite genauer, so ist sie an sich bereits eine Art „Datenbank“ physikalischer Möglichkeiten. Sie verfügt über vorprogrammierte Resonanzmodi, die in Abhängigkeit von Spannung, Länge und Material bestimmte Frequenzen bevorzugen. Ein Musiker, der eine Saite verwendet, macht sich damit implizit eine Reihe von physikalischen Algorithmen zunutze. Er erzeugt nicht aus dem Nichts einen Klang, sondern arbeitet innerhalb eines Rahmens, den ihm die Saite vorschreibt.
Dieser Rahmen kann als eine frühe Form von „künstlicher Intelligenz“ interpretiert werden. Wieso? Weil hier eine vorgegebene Struktur (die Frequenzmuster der Saite) Handlungsempfehlungen generiert: Der Musiker kann entweder harmonische Klänge erzeugen oder das System „bricht“ in disharmonische Schwingungen aus. Die Saite „antwortet“ ihm also mit Erfolg oder Misserfolg, ähnlich wie moderne algorithmische Systeme, die auf Eingaben reagieren und daraus Konsequenzen ableiten.
Die Rolle des Musikers im intelligenten System
Der Musiker ist freilich nicht nur passiver Nutzer dieses Systems. Er interagiert mit der Saite, wählt Griffpositionen, Zupftechniken und Lautstärke. Dennoch bleibt er an die physikalischen Gesetze gebunden, die man mit Fug und Recht als Grundlagen-Algorithmus bezeichnen kann. So wie heutige KI-Systeme innerhalb gewisser Regeln operieren (z. B. Machine-Learning-Modelle, die nur innerhalb ihrer Trainingsdaten sinnvoll funktionieren), ist auch der Musiker nicht frei darin, die Saite gänzlich neu zu definieren.
Hier zeigt sich die wechselseitige Beziehung: Der Mensch kann dem vorhandenen „Algorithmus“ – den mathematischen und physikalischen Prinzipien der Saitenschwingung – eigene Ideen hinzufügen. Das Ergebnis ist ein hybrider Schaffensprozess, der sowohl Intuition als auch eine gewisse „maschinelle“ Logik in sich trägt. Die Saite ist somit bereits ein „intelligentes“ Bindeglied, das den kreativen Prozess anstößt.
Interessant wird dies im Kontext der gegenwärtigen Diskussion um künstliche Intelligenz in der Musik. Viele Musiker*innen befürchten, dass AI-Kompositionssysteme oder AI-generierte Sounds die menschliche Kreativität ersetzten. Dabei übersehen sie oft, dass die Grundlagen des Musizierens stets von vorgegebenen Algorithmen und Systemen geprägt waren. Das Beschweren über die Dominanz eines algorithmischen Prozesses ist also kein neues Phänomen – es reicht zurück bis zur Erfindung der ersten Saiteninstrumente.
Man kann sogar sagen, dass jeder Saiteninstrumentalist längst mit einer prototypischen Form von AI interagiert – wenn auch analog, nicht digital. In dem Moment, in dem wir eine Saite spannen und auf den richtigen Ton einstellen, richten wir uns nach den Vorgaben der Physik; wir nehmen diese Vorgaben an und formen daraus künstlerische Ideen. Die Grenze zwischen „natürlicher“ und „künstlicher“ Intelligenz wird hier unscharf: Beides verschmilzt im musikalischen Tun.
Wenn man das Musizieren auf eine Ebene von Aktion und Reaktion herunterbricht, arbeitet der Musiker in einem ständigen Austausch mit dem System Instrument–Saite–Resonanzkörper. Jede Berührung, jede Veränderung der Spannung, jedes Vibrato ist ein Input, der Output wird in Form von Klang zurückgegeben. Dieser Prozess ähnelt verblüffend den Funktionsweisen moderner Algorithmen, die Eingaben analysieren und mittels bestimmter Regeln neue Ausgaben generieren.
Historisch betrachtet ist dieser Vorgang älter als unser heutiger Begriff von KI. Insofern kann man argumentieren, dass das Beschweren über das „Unnatürliche“ oder „Maschinelle“ im Musizieren bereits begann, als Saiteninstrumente populär wurden und Menschen feststellten, dass die Mechanik des Instruments maßgeblich den Klang bestimmte. Die aktuelle Debatte um generative KI in der Musik ist somit nur eine zeitgemäße Fortführung einer sehr alten Diskussion.